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Hamburg: Mit serieller Sanierung schneller ans hanseatische Klimaziel

Mit ihrem Votum beim Klimaentscheid haben sich die Hamburger Bürgerinnen und Bürger für mehr Tempo beim Klimaschutz entschieden. Statt 2045 soll die Hansestadt bereits 2040 klimaneutral sein. Das betrifft auch die rund 260.000 Wohn- und 50.000 Nichtwohngebäude, die nun fünf Jahre früher auf Klimakurs gebracht werden müssen. Wie dies mit klugen Konzepten gelingen kann, zeigte eine Energiesprong on tour nach Hamburg.

fluwog als innovativer Vorreiter

Die 1949 von Flughafenmitarbeitern in Hamburg gegründete FLUWOG-NORDMARK eG, kurz fluwog, ist eine traditionsreiche Hamburger Wohnungsbaugenossenschaft, die rund 4.900 Wohnungen in 24 Stadtteilen bewirtschaftet. Wichtigstes Ziel des Unternehmens ist es, ökologisch verantwortungsvolles Bauen, lebenswerte Quartiere und faire Mieten miteinander zu verbinden. Damit dies gelingt, setzt die Baugenossenschaft zunehmend auf innovative Lösungen und geht dabei häufig mit gutem Beispiel voran: In Niendorf realisiert die fluwog als einer der ersten Bauherren ein Projekt nach dem neuen „Hamburger Standard“. 

In Barmbek-Süd setzt das Unternehmen das erste serielle Sanierungsprojekt in Hamburg um. Geplant von Sieckmann Walther Architekten und ausgeführt von Schütt Holzbau bringt die fluwog in Barmbek-Süd ein Mehrfamilienhaus aus den 50er Jahren mit dem innovativen Sanierungskonzept auf Klimakurs. Rund 8,7 Millionen Euro investiert die Baugenossenschaft in das Projekt. Kombiniert wird die serielle Sanierung in Barmbek mit einer Aufstockung und einem ergänzenden Neubau. Auf diese Weise entstehen zu den 19 Bestandswohnungen 12 weitere. Angesichts 26.000 fehlender Wohnungen in Hamburg steht der Pilot in der Brucknerstraße 2 a + b exemplarisch für eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung, die mit innovativen Bauweisen und sozialem Anspruch in Richtung Klimaneutralität geht.

Serielle Sanierung als Tempomacher

Für Axel Gedaschko, Präsident des GdW, ist serielles Sanieren ein wichtiger Baustein auf dem Weg in die Klimaneutralität: „Besonders interessant ist der zukunftsweisende Sanierungsansatz für sogenannte Worst Performing Buildings also die schlechtesten Gebäude. Gerade vor dem Hintergrund von Fachkräftemangel und steigenden Baukosten kann die Methode ein echter Zukunftstreiber werden.“ Serielle Sanierung nach dem Energiesprong-Prinzip überträgt das Konzept der Industrie 4.0 auf das traditionelle Handwerk. Digitale Planung, automatisierte Vorfertigung und standardisierte Prozesse ermöglichen es, mit weniger Fachkräften mehr Gebäude in kürzerer Zeit energetisch zu modernisieren. Die Gebäude erhalten eine neue Hülle aus Holzmodulen im XL-Format. Diese werden inklusive Dämmung, dreifach verglasten Isolierfenstern, Fensterbänken, Sonnenschutz und Lüftung im Werk vorgefertigt und auf der Baustelle nur noch montiert. Neue, mit Photovoltaikmodulen ausgestattete Dächer sowie eine fossilfreie Wärmeversorgung komplettieren den zukunftsweisenden Modernisierungsansatz. 

Nach der Sanierung haben die Gebäude einen Energiesprung von der schlechtesten in die beste Effizienzklasse gemacht und sind somit energetisch auf Neubauniveau. Nach Portfolioanalysen der dena sind rund 30 Prozent aller Gebäude optimal für den zukunftsweisenden Modernisierungsansatz geeignet. Serielle Sanierungen sind in der Regel minimalinvasiv und können aufgrund der geringen Belastung in bewohntem Zustand durchgeführt werden. Im Projekt in Barmbek war dies nicht möglich, weil parallel zur Sanierung der Außenhülle auch die Bäder saniert wurden. Deshalb mussten die Mieterinnen und Mieter für sechs Wochen in Gästewohnungen umziehen, haben in der Zwischenzeit aber wieder ihre Wohnungen bezogen.

Unterm Strich nicht mehr als vorher

Die sozialorientierte Wohnungswirtschaft in Hamburg befürchtet, dass die vorgezogene Erreichung der Klimaziele vor allem Haushalte mit mittlerem und geringem Einkommen überdurchschnittlich belastet. Doch muss das zwangsläufig so sein? Nein, denn bei der seriellen Sanierung nach dem Energiesprong-Prinzip werden die Investitionen größtenteils über eingesparte Energie- und Instandhaltungskosten refinanziert. Eine zentrale Rolle spielt dabei der NetZero-Standard. Nach der Sanierung erzeugen die Gebäude durch Photovoltaikanlagen auf dem Dach und ggf. Teilen der Fassade im Jahresdurchschnitt so viel erneuerbare Energie, wie die Bewohnerinnen und Bewohner für Heizung, Warmwasser und Haushaltsstrom benötigen. Im Idealfall wird die Modernisierungsumlage durch hohe Energieeinsparungen von bis zu 90 Prozent und dauerhaft günstigem, selbst erzeugtem Mieterstrom kompensiert. 

Damit eröffnen sich neue Perspektiven für die klima- und sozialverträgliche Bestandssanierung. Projekte in Düsseldorf, Mönchengladbach und Bochum haben gezeigt, dass eine mietkostenneutrale Umsetzung von seriellen Sanierungsprojekten möglich ist. Zugegebenermaßen gelingt dies noch nicht in allen Fällen – es sind aber auch noch nicht alle Kostensenkungspotenziale wie Innovationen, Digitalisierung, Prozessoptimierung, Automatisierung und Skaleneffekte ausgeschöpft. Nach dem Vorbild der Rahmenvereinbarung für den seriellen und modularen Neubau will der GdW Ende des Jahres einen Rahmenvertrag für serielles Sanieren auf den Weg bringen. Damit steigen die Chancen, dass die Rechnung für Vermieter und Mieter gleichermaßen aufgeht.  

Der Teufel steckt im Detail

Bestandsgebäude stecken voller Überraschungen. Nicht vorhandene, unvollständige oder fehlerhafte Pläne sorgen immer wieder für unerwartete Herausforderungen, die das Bauvorhaben erschweren und verzögern können. Deshalb ist es essenziell, die Gebäude im Vorfeld einer seriellen Sanierung genau zu analysieren und exakt zu vermessen. Jedes serielle Sanierungsprojekt startet mit einer Vermessung der per 3D-Laserscan. Dabei wird das Gebäude millimetergenau von außen und innen erfasst. Aus den zu einer Punktwolke verdichteten Messdaten entsteht ein BIM-Modell, das die Planungsgrundlage für die Produktentwicklung und Vorfertigung der Dach-, Fassaden- und Technikmodule bildet. Und genau hier steckt der Teufel im Detail: Vor der Überführung der Messdaten in ein BIM-Modell sollte die Punktwolke bereinigt werden. Nur so lässt sich die Genauigkeit der Gebäudeabmessungen für die Vorfertigung und Montage sicherstellen. Kleinste Abweichungen und Ungenauigkeiten können zu ungeplanten Herausforderungen führen. So auch beim Projekt in Hamburg: Hier haben fehlende Innenscans der Wohnungen dazu geführt, dass sich die in den Fassadenelementen integrierten Balkontüren aufgrund der unberücksichtigten Höhe des Estrichs nicht öffnen ließen. Zwar wurde schnell eine Lösung gefunden, aber derartige Probleme lassen sich durch eine digitale Vermessung der Anschlussdetails in den Wohnungen vermeiden.  

Erste Anlaufstelle zu allen Fragestellungen rund um die serielle Sanierung ist das Kompetenzzentrum Serielles Sanieren der dena. Wohnungs- und Bauunternehmen sollten sich im Vorfeld eines seriellen Sanierungsprojekts umfassend beraten lassen. Alle Beratungs-, Unterstützungs- und Vernetzungsangebote sind kostenlos. Wer Teil des Netzwerks wird, kann sich mit erfahrenen Akteuren, die bereits Projekte umgesetzt haben, austauschen und von deren Learnings profitieren.

Hanseatischer Stil 2.0

Hamburg steigt vergleichsweise spät in die serielle Sanierung ein. Grund dafür sind die charakteristischen Backsteinfassaden, die der Stadt ihren einzigartigen Charme verleihen. Groß war die Angst, dass der typische hanseatische Stil nach einer seriellen Sanierung verloren geht. Das Projekt in Barmbek ist der beste Beweis, dass die Befürchtung unbegründet ist. Sieckmann Walther Architekten und Schütt Holzbau zeigen hier eindrucksvoll, wie sich Funktionalität und Energieeffizienz mit Ästhetik und gutem Design verbinden lassen. „Im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung ist es uns gelungen, alle Bedürfnisse und Anforderungen in einem Entwurf zu vereinen und dabei ein Gebäudeensemble zu schaffen, das mit seiner Materialität ein starkes Statement für Nachhaltigkeit setzt und sich gleichzeitig respektvoll in das bauliche Umfeld einfügt“, betont Architekt Johannes Walther. Tillmann Schütt, Geschäftsführer von Schütt Holzbau ergänzt: „Projekte wie diese zeigen, was mit modernem Holzbau möglich ist. Mit interdisziplinärem Know-how, neuester Technologie und innovativen Ideen können wir Gebäude schaffen, die baulich und gestalterisch überzeugen.“ 

Die im Werk von Schütt Holzbau seriell vorgefertigten Holzfassaden des Bestandsgebäudes fügen sich harmonisch in die von Backstein geprägte Umgebung ein. Der ergänzende Neubau erhält eine Ziegel-Schindelfassade und fungiert damit als verbindendes Element zwischen den benachbarten Klinkerbauten und der neuen Holzfassade des Bestands. Die stilprägende Backsteinarchitektur wird hier behutsam weiterentwickelt und in die Moderne geführt. Auch mit seriellen Bauweisen ist es möglich, ansprechende Architektur zu schaffen, die das Stadtbild bereichert.  

Pilotprojekt mit Modellcharakter

Der Gebäudebereich ist ein zentraler Hebel für die Erreichung der ambitionierten Klimaziele. Eine besondere Rolle spielen dabei die sogenannten „Worst Performing Buildings“. Obwohl sie nur 25 Prozent des Bestands ausmachen, verursachen die energetisch ineffizientesten Gebäude rund 50 Prozent der CO2 Emissionen. Mit jedem investierten Euro lassen sich hier die maximalen Energie- und CO2-Einsparungen erzielen. Der zukunftsweisende Modernisierungsansatz kann ineffiziente Gebäude nicht nur zu Energiesparern (bis zu 90 Prozent geringerer Heizenergiebedarf), sondern auch zu Energieproduzenten (Solarstrom durch Photovoltaik-Module auf dem Dach), CO2-Speichern (Verwendung nachwachsender Rohstoffe wie Holz) und Materiallagern (Planung nach zirkulären Prinzipien) machen. Damit hat serielles Sanieren großes Potenzial, sich zur Schlüsseltechnologie für die klimaneutrale und sozialverträgliche Transformation des Gebäudebestandes in der Hansestadt – und darüber hinaus – zu entwickeln. 

Pressekontakt

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Ariane Steffen

Kommunikation Wohnungswirtschaft und Nichtwohngebäude

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