Mit dem Reallabor in Hardt und dem ersten Projekt des Joint-Ventures Renowate in Lürrip hat die LEG Mönchengladbach zum Living Lab für serielle Sanierungen gemacht. Am 13.12. konnten rund 100 Vertreter aus Wohnungswirtschaft, Bauwirtschaft, Kommunen und Verbänden einen Blick hinter die Fassaden werfen und sich die technischen Details vor Ort erläutern lassen. Aufgrund großen Interesses fand die Exkursion am 14.2.2023 noch einmal statt.
Partnerschaftliche Pionierarbeit
Vor dem Besuch der fünf Baustellen skizzierten die maßgeblichen Akteure in kurzen Impulsen die Herausforderungen, Ziele und Lösungsansätze. Angesichts Fachkräftemangels, Inflation und steigender Zinsen ermutigte Dr. Volker Wiegel, COO der LEG SE, die Wohnungs- und Bauwirtschaft energetische Modernisierung neu zu denken.
Aufgrund der Kleinteiligkeit und Komplexität stoßen konventionelle Lösungen an Kosten- und Kapazitätsgrenzen. Mit seriellen Sanierungslösungen könne es gelingen, das Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestandes schnell, einfach und bezahlbar zu erreichen. Als zweitgrößtes deutsches Wohnungsunternehmen leiste man in Mönchengladbach gemeinsam mit engagierten Partnerunternehmen Pionierarbeit, um hier im Kleinen zu erproben, was im Großen funktionieren soll.
Attraktive Investitionsanreize
Uwe Bigalke, Teamleiter Analysen & Gebäudekonzepte der Deutschen Energie-Agentur (dena), verwies auf die Anfang 2023 inkrafttretende Novelle der BEG-Förderung. Mit der Reform werde ein verlässlicher förderpolitischer Rahmen geschaffen, der besonders im Hinblick auf die Boni für serielles Sanieren und Worst Performing Buildings attraktive Investitionsanreize biete.
Wohnungsunternehmen können ihren Bestand nun zu bezahlbaren Kosten auf den klimaneutralen Net Zero Standard bringen und ihre Mieter somit dauerhaft vor steigenden Energiepreisen schützen.
Steile Lernkurve
Für Mathias Ponitka, Leiter Modulbau der LEG SE, ist das Living Lab einzigartig, weil es erstmalig möglich sei, unterschiedliche Konzepte an baugleichen Gebäuden zu erproben und objektiv zu vergleichen. Der offene Austausch zwischen den Partnern stelle einen zentralen Aspekt des Projekts dar. Die Lessons Learned stünden der gesamten Branche zur Verfügung, um gemeinsam schneller zu skalierbaren Lösungen zu kommen.
Andreas Kipp, Leiter Vertrieb und Marketing der Renowate GmbH, betonte die extrem steile Lernkurve im laufenden Pilotprojekt. Dauerte die Planung der ersten Fassade noch 40 Tage, habe sie sich bei der zweiten auf vier Tage reduziert. Beim Tempo sehe man noch viel Luft nach oben. Aktuell plant das Joint-Venture der LEG und Rhomberg Bau 14 weitere Projekte, die bis Ende 2023 fertiggestellt sein sollen.
Komplexe Kubatur
Die erste Station der Exkursion führte in die Zeppelinstraße, wo Renowate seit August zwei Wohngebäude mit 47 Wohneinheiten seriell saniert. Eine Herausforderung stellte die komplexe Gebäudekubatur dar. Zwischen beiden Gebäuden liegt ein Fremdobjekt sowie eine Durchfahrt zum Hinterhof, woraus ein größerer organisatorischer und planerischer Aufwand resultierte.
Eine Besonderheit in diesem Pilotprojekt sind die Wärmepumpen auf dem Dachboden. Aufgrund der höheren Temperaturen unter dem nach Süden ausgerichteten Dach arbeiten sie dort effizienter als im Keller oder im Außenbereich. Für die Dachbodenlösung musste die Statik mithilfe von Stahlträgern verbessert werden. Zusätzlich wurde der Dachboden gedämmt und mit Lärmschutzmatten ausgelegt.
Dreidimensionale Fassadenverankerung
Die zweite Etappe führte ins Reallabor nach Mönchengladbach-Hardt zu Saint-Gobain pre-formance, dem auf serielle Sanierungslösungen spezialisierten Tochterunternehmen des weltweit führenden Baustoffkonzerns.
Für das im Juli 2022 gestartete Pilotprojekts wurde eine innovative dreidimensionale Verankerungslösung für die vorgefertigten Module entwickelt. Die Fassaden können auf diese Weise ohne Gerüst einfach per Hubwagen montiert werden. Dies reduziert sowohl die Belastung für die Mieter als auch die Baukosten. Weitere Einsparpotenziale resultieren aus der zum Konzern gehörenden Fassadenfertigung sowie der Verwendung eigener Baumaterialien.
Ästhetische Indach-Lösung
Dritter Stopp war die Baustelle von B & O am Aschenkrug. Das Unternehmen hat bereits ein serielles Sanierungsprojekt für die VBW in der Bochumer Mörikestraße fertiggestellt und setzt im Reallabor einen weiterentwickelten Ansatz um.
Die Fassadenmodule werden vom Tochterunternehmen B & O Holzbau im neuen Werk in Frankfurt/Oder vorgefertigt. Durch schnellere Planung, weniger Schnittstellen und kürzere Abläufe rechnet man mit Einsparpotenzialen von mindestens 10 Prozent. Statt der bislang üblichen Photovoltaikanlage als Aufdach-Lösung wird hier erstmals eine Indach-Variante verbaut. Neben dem ästhetischen Mehrwert bietet sie eine höhere mechanische Stabilität, da sich die Gewichtslast gleichmäßig über die gesamte Fläche verteilt und keine Angriffsfläche für starke Winde bietet.
Fassadenintegriertes TGA-Modul
Die vierte Stippvisite führte zu ecoworks, dem Pionier für serielle Sanierungslösungen. Das Berliner Start-up realisierte 2019 in Hameln das allererste deutsche Energiesprong Pilotprojekt und motivierte viele Bau- und Wohnungsunternehmen, eigene serielle Sanierungsvorhaben auf den Weg zu bringen.
Seit dem ersten Piloten hat ecoworks zahlreiche weitere Projekte umgesetzt und viele Erfahrungen gesammelt. Im Reallabor kommt ein neuartiges fassadenintegriertes TGA-Modul zum Einsatz, in dem sich die Heizungs- und Warmwasserleitungen für die Wohnungen befinden. Das macht eine aufwendige Strangsanierung, die mit einer hohen Belastung für die Mieterinnen und Mieter verbunden ist, unnötig.
Unterirdischer Ground Cube
Auf der letzten Etappe erwartete die Teilnehmenden ein besonderes technisches Highlight: An der Römerkuppe hat die Fischbach-Gruppe einen Ground Cube verbaut – ein begehbarer unterirdischer Betonkubus, der die gesamte Versorgungsinfrastruktur der Gebäude beherbergt. Der Anschluss der Wohnungen erfolgt über einen Backpacker-Strang an der Fassade, sodass die Leitungen nicht aufwendig innerhalb des Gebäudes verlegt werden müssen.
Die fünf in Mönchengladbach besichtigten Sanierungskonzepte sind nur die Spitze des Eisbergs. Das Innovationspotenzial serieller Sanierungslösungen ist längst noch nicht ausgeschöpft. In den nächsten Jahren werden zahlreiche weitere zukunftsweisende Ansätze hinzukommen, die die energetische Modernisierung von Bestandsgebäuden noch schneller, einfacher und kostengünstiger machen.
Bilder: dena / Fotograf: Jörg Parsick-Mathieu





















