Generationenübergreifendes Wohnen als Chance
Was macht man mit einem leerstehenden Verwaltungsgebäude, wenn der Bedarf an Büroflächen sinkt? Vor dieser Frage stand die Stadt Pirna, als die Finanzämter von Pirna und Freital zusammengelegt wurden und ein neues Gebäude bezogen.

Die ebenso nachhaltige wie nachahmenswerte Antwort liefert basis d: Das Wohnungsunternehmen mit kirchlichem Background kaufte das ausgediente Finanzamt, sanierte es seriell und wandelte es in ein Mehrgenerationenhaus mit 39 Mietwohnungen um.
Modellprojekt mit vielfachem Mehrwert
Das Projekt in der Emil-Schlegel-Straße 13 ist in vielerlei Hinsicht vorbildlich. Statt den 3.000 Quadratmeter großen Zweckbau aus den 70er Jahren abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen, erhält das Bestandsgebäude ein funktionales und energetisches Update. Eine vorgefertigte Gebäudehülle aus hochgedämmten Holzfassaden sorgt für einen Energiesprung von der schlechtesten in die beste Energieeffizienzklasse. Die Wärmeversorgung erfolgt mit Geothermie. Photovoltaikmodule auf dem Dach versorgen die Bewohnenden mit günstigem Solarstrom. Geänderte Grundrisse, Aufzüge, Balkone, Gemeinschaftsflächen und Freizeitangebote machen aus dem leerstehenden Finanzamt einen lebendigen Ort, an dem Menschen unterschiedlicher Generationen unter einem Dach zusammenleben. Ältere Menschen können länger in den eigenen vier Wänden leben, Alleinerziehenden und jungen Familien eröffnet die Unterstützung älterer Nachbarn bei der Kinderbetreuung neue berufliche Möglichkeiten. Insgesamt also ein Konzept mit vielfachem Mehrwert: Die Sozialkassen werden entlastet, der gesellschaftliche Zusammenhalt wächst, die individuelle Lebensfreude steigt.
Revitalisierung kann sich rechnen

Das Beispiel in Pirna könnte zur Blaupause für ausgediente Verwaltungsgebäude in ganz Deutschland werden. Denn ältere und energetisch ineffiziente Bürogebäude lassen sich immer schwerer neu vermieten. Die Energiebilanz eines Gebäudes rückt bei der Anmietung zunehmend in den Fokus. Angesichts mehr als einer halben Million fehlender Wohnungen kann sich eine Umnutzung für Bestandshaltende auszahlen. Besonders dann, wenn sich die Grundrisse leicht anpassen lassen und keine teuren Umbauten in Bezug auf den Brand- und Schallschutz sowie die technische Gebäudeausrüstung notwendig sind. Unter optimalen Voraussetzungen sind die Kosten einer Revitalisierung günstiger als die eines Neubaus. „Hier waren die brandschutztechnischen und statischen Herausforderungen sehr komplex und kostenintensiv. Wir betrachten das Projekt in Pirna als Investition in die Zukunft. Mit den hier gewonnenen Learnings können wir ähnliche Vorhaben künftig schneller und kostengünstiger umbauen“, betont Bauherr Jörg Wimmer, Geschäftsführer von basis d. Das nächste Projekt sei bereits in der Planung, weitere sollen folgen.
Da moderne Wohnflächen in der Regel zu einem deutlich höheren Mietpreis vermietet werden können als ältere Büroflächen, ist die Revitalisierung ein attraktives Geschäftsmodell. Während sich in die Jahre gekommene Verwaltungsgebäude wie das ausgediente Finanzamt für kaum mehr als drei bis vier Euro pro Quadratmeter vermieten lassen, liegen die Mietpreise für Wohnraum in Pirna zwischen 7 und 14 Euro. Um dem Leerstand von Büro- und Verwaltungsgebäuden entgegenzuwirken, werden Revitalisierungen vielfach auf kommunaler Ebene gefördert. Auch die Bundespolitik hat das Potenzial von Umwandlungen erkannt. Mit dem Förderprogramm „Gewerbe zu Wohnen“ setzt die Regierung einen Impuls für die Umnutzung von Nichtwohngebäuden in Wohnraum. Rund 360 Millionen Euro sind im Bundeshaushalt 2026 dafür eingeplant.
Holzbau als konstruktiver Klimaschutz

Ob serielle Sanierung oder Revitalisierung – bei der nachhaltigen Transformation des Gebäudebestands ist Holz das Material der Wahl. Und das aus gutem Grund: Der hohe Vorfertigungsgrad von Fassadenelementen in Holzbauweise beschleunigt die Montage vor Ort und sorgt dafür, dass serielle Sanierungen deutlich schneller sind als konventionelle. Aufgrund des geringen Gewichts der Holzmodule lassen sich Aufstockungen und Erweiterungen von Bestandsgebäuden im Rahmen einer seriellen Sanierung vergleichsweise einfach realisieren. Zudem bietet moderner Holzbau die Chance, Bestandsgebäude gestalterisch aufzuwerten und die Bauwerksstruktur durch konstruktive Veränderungen zu verbessern. Und last but not least bindet verbautes Holz CO2 und trägt damit zur Erreichung der Klimaziele bei.
Trotz seiner Vorteile spielt der Baustoff Holz bei größeren Bauvorhaben bislang kaum eine Rolle. Nur rund drei Prozent der mehrstöckigen Gebäude werden derzeit in Holzbauweise errichtet. Für Ralf Lepski, Geschäftsführer von Holzbau Lepski, der das Projekt in Pirna seriell saniert und umgewandelt hat, sind es vor allem die komplizierten Vorschriften, die den verstärkten Einsatz von Holz verhindern: „Holzbau ist konstruktiver Klimaschutz. Doch der wird durch immer mehr Bauvorschriften zunehmend ausgebremst.“ Mit einer Musterholzbaurichtlinie steuert der Freistaat Sachsen nun gegen. Genehmigungsverfahren sollen dadurch deutlich einfacher werden. „Die neue Musterholzbaurichtlinie baut Hemmnisse ab und sorgt dafür, dass der Baustoff Holz in die Breite kommt“, betont Sören Glöckner, Geschäftsführer des Holzbaukompetenzzentrums Sachsen.
Klima- und altersgerechte Transformation
In der sozialorientierten Wohnungswirtschaft haben rasant steigende Bau-, Finanzierungs- und Energiekosten sowie überbordende Vorschriften, Nachweispflichten und Antragsverfahren dazu geführt, dass mit den zur Verfügung stehenden Mitteln immer weniger Wohnungen neu gebaut werden können. Der Großteil der Investitionen fließt deshalb in die zukunftsfähige Transformation der Bestände. Neben der klimaneutralen Sanierung rückt dabei der altersgerechte Umbau immer stärker in den Fokus. Laut einer Prognose des Pestel-Instituts werden bis 2045 allein in Dresden rund 27.400 altersgerechte, barrierearme Wohnungen fehlen. Der Mangel an Seniorenwohnungen dürfte sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen. Denn bis 2039 geht die Babyboomer-Generation in Rente. 13,4 Millionen Erwerbstätige scheiden dann aus dem Berufsleben aus und brauchen in absehbarer Zeit Wohnungen, die auf die Bedürfnisse einer alternden Gesellschaft zugeschnitten sind. Alexander Müller, Verbandsdirektor des VdW Sachsen, appelliert deshalb an die Politik: „Damit die klima- und altersgerechte Transformation unserer Bestände sozialverträglich gelingt, brauchen wir passende Rahmenbedingungen und maßgeschneiderte Förderprogramme, die es uns ermöglichen, diese doppelte Kraftanstrengung zu meistern.“
Das Beispiel in Pirna zeigt, dass sich serielle Sanierung und Revitalisierung optimal ergänzen und in Kombination überzeugende Antworten auf zentrale Zukunftsfragen bieten.